Witwenrente – was ist das eigentlich und wer bekommt sie?
In einem unserer letzten Blogbeiträge „Voraus des verbliebenen Ehegatten – was ist das eigentlich?“ haben wir den gesetzlichen Voraus des längerlebenden Ehegatten erläutert. In diesem Blogbeitrag geht es im Zusammenhang mit dem Tod eines Ehepartners um die Hinterbliebenenrente, auch Witwen- oder Witwerrente und nachfolgend zur Vereinfachung lediglich „Witwenrente“ genannt.
Der Tod des Ehepartners führt oft zu finanziellen Einbußen beim Längerlebenden. Durch die Witwenrente sollen diese Einbußen etwas abgefedert werden. Um aber überhaupt „in den Genuss“ der Witwenrente zu kommen, muss der verstorbene Ehegatte jedoch mindestens fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Dies ist bei Selbständigen oft nicht der Fall und im Einzelfall zu prüfen.
Rente im Sterbevierteljahr
Nach dem Tod des Ehepartners erhält der längerlebende Ehegatte in der Regel zunächst dessen gesetzliche Rente drei Monate lang in voller Höhe weiter. Das gilt auch, wenn der längerlebende Ehegatte in diesen drei Monaten eigenes Einkommen bezieht. Eine Anrechnung des eigenen Einkommens auf die Rente des verstorbenen Ehegatten erfolgt in diesem Zeitraum nicht. Falls die verstorbene Person noch keine Rente bezogen hat, hat der Längerlebende einen Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente, die der Verstorbene hätte erhalten können.
Witwenrente
Für die Zeit danach kann eine kleine oder große Witwenrente beantragt werden.
Die Witwenrente wird nur auf Antrag, welcher an den Rentenservice der Deutschen Post zu richten ist, gezahlt. Da der Rentenantrag kompliziert und umfangreich ist, wird empfohlen, sich zur Unterstützung an die Beratungsstellen der Rentenversicherung o.ä. zu wenden.
Witwenrente kann für bis zu zwölf Kalendermonate vor dem Antragsmonat rückwirkend beantragt werden. Ist der Ehepartner also im Dezember 2022 verstorben, wird die Rente bei einem Antrag im Dezember 2023 noch für die ganze Zeit rückwirkend gezahlt.
Vorschuss
Auch ein Vorschuss in Höhe von drei Monatsrenten des Verstorbenen ist möglich, muss jedoch innerhalb von 30 Tagen nach dem Tod beantragt werden.
Große Hinterbliebenenrente
Voraussetzungen für den Bezug der zeitlich unbefristeten großen Witwenrente sind, dass
- das Paar mindestens ein Jahr verheiratet war oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft bestand,
- der Verstorbene bereits eine Rente bezogen oder mindestens fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat (§ 50 SGB VI), wobei Ausnahmen möglich sind, wenn der Ehegatte unerwartet (bspw. bei einem Autounfall) ums Leben kam, und
- der längerlebende Ehegatte nicht wieder geheiratet hat.
Zusätzlich wird gefordert, dass
- die erforderliche Altersgrenze des Längerlebenden (s. u.) erreicht wurde oder
- der längerlebende Ehegatte ein minderjähriges Kind erzieht oder
- der längerlebende Ehegatte ein Kind mit Behinderung hat, und zwar unabhängig von dessen Alter oder
- der längerlebende Ehegatte wegen Krankheit oder Behinderung erwerbsgemindert ist.
Altersgrenze
Seit 2012 erhöht sich die Altersgrenze des Längerlebenden jährlich um einen Monat ab dem 45. Lebensjahr. Stirbt ein Ehegatte im Jahr 2023, muss der hinterbliebene Ehegatte mithin mindestens 46 Jahre sein, um die erforderliche Altersgrenze zu erreichen. Bei Todesfällen ab dem Jahr 2029 gilt einheitlich eine Altersgrenze von 47 Jahren, § 242a Abs. 5 SGB VI.
Höhe der großen Witwenrente
Die Höhe der großen Witwenrente richtet sich nach dem Zeitpunkt der Eheschließung:
Wer nach dem 31. Dezember 2001 geheiratet hat, erhält 55% der Rente, die die Rentenversicherung dem verstorbenen Ehepartner zum Todeszeitpunkt gezahlt hat oder hätte. Hinzukommt u.U. ein Kinderzuschlag. Ist der Ehepartner vor seinem 65. Lebensjahr gestorben, wird der Rentenanspruch um einen Abschlag gekürzt.
Wer vor dem 1. Januar 2002 geheiratet hat und mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren wurde, erhält 60% der Rente, die die Rentenversicherung dem verstorbenen Ehepartner zum Todeszeitpunkt gezahlt hat oder hätte. Ein Kinderzuschlag gibt es hier nicht.
Kleine Witwenrente
Wenn die Voraussetzungen für die große Witwenrente nicht erfüllt sind, kommt die kleine Witwenrente in Betracht, welche nach neuem Recht allerdings auf zwei Jahre nach dem Tod des Ehegatten befristet ist, § 242a Abs. 1 SGB VI. Sofern allerdings vor dem 1. Januar 2002 geheiratet wurde, wird die kleine Witwenrente lebenslang gezahlt.
Die Höhe der kleinen Witwenrente beträgt 25%, gegebenenfalls zuzüglich Kinderzuschlag.
Wechsel von kleiner zu großer Witwenrente
Wer die Voraussetzungen für die große Witwenrente nicht erfüllt, beispielsweise, weil er zu jung ist, kann später von der kleinen zur großen Witwenrente wechseln. Sobald der Längerlebende das entsprechende Alter erreicht hat (und auch alle weiteren Voraussetzungen vorliegen), besteht Anspruch auf die große Witwenrente. Dieser Wechsel muss jedoch beantragt werden, er geschieht nicht von alleine. In die große Hinterbliebenenrente kann auch gewechselt werden, wenn der Längerlebende ein Kind bekommen hat oder erwerbsgemindert geworden ist.
Kinderzuschlag
Wer bis zum dritten Lebensjahr ein Kind erzogen hat und nach dem 31. Dezember 2001 geheiratet hat, hat nach Ablauf des Sterbevierteljahres einen Anspruch auf Kinderzuschlag. Dessen Höhe ist abhängig von der Art der Witwenrente, dem Bundesland (alt/neu) und der Anzahl der Kinder.
Vereinfacht gesagt beträgt der Kinderzuschlag bei der großen Witwenrente derzeit EUR 71,- für das erste und EUR 35,- für jedes weitere Kind, bei der kleinen Witwenrente EUR 32,- für das erste und EUR 16,- für jedes weitere Kind.
Anrechnung der eigenen Einkünfte
Die Rentenversicherung rechnet Einkommen/Einkünfte des längerlebenden Ehegatten auf die Witwen- oder Witwerrente an. Die Anrechnung erfolgt unter Berücksichtigung etwaiger Freibeträge wie folgt (verständnishalber hier nur grob skizziert):
- Es wird zunächst das Nettoeinkommen ermittelt. Außer der gesetzlichen Rente und Erwerbseinkommen werden auch Kapitaleinkünfte, private Renten, Betriebsrenten und Elterngeld angerechnet. Hier gibt es teilweise pauschalierte Verfahren. Von den Brutto-Arbeitseinkünften werden beispielsweise pauschal 40% abgezogen; bezieht der längerlebende Ehegatte eine eigene Rente sind es pauschal 14%.
- Vom so ermittelten Nettoeinkommen wird der Freibetrag in Abzug gebracht. Dieser liegt derzeit bei rund EUR 950,- (alte Bundesländer) bzw. EUR 937,- (neue Bundesländer). Sofern Kinder vorhanden sind, die waisenanspruchsberechtigt sind, steigt der Freibetrag um rund EUR 201,- (alte Bundesländer) bzw. EUR 198,- (neue Bundesländer).
- Wenn nun das nach Abzug des Freibetrags errechnete Einkommen über diesem Freibetrag liegt, werden von der verbleibenden Summe 40% auf die Witwenrente angerechnet, also von der Witwenrente abgezogen. Dies kann dazu führen, dass sich der Witwenrentenanspruch auf null reduziert.
Aber: sollte sich das Einkommen des Längerlebenden verringern (z.B. durch Umstieg auf Teilzeitbeschäftigung oder durch Eintritt in den Ruhestand), lebt der u.U. gekürzte oder gar ganz entfallene Rentenanspruch wieder auf.
Wiederverheiratung
Heiratet der längerlebende Ehegatte erneut, entfällt die Witwenrente. Es besteht allerdings die Möglichkeit, eine Abfindung in Höhe von zwei Jahresrenten auf die große Witwenrente zu beantragen, welche anhand der Bezüge des vorangegangenen Jahres berechnet wird, § 107 SGB VI.
Keine Vererblichkeit der Witwenrente
Da die Witwenrente nicht vererblich ist, steht sie nur dem längerlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartner zu, nicht hingegen Kindern oder anderen Erben. Mit dem Tod des längerlebenden Ehegatten stellt die Rentenversicherung die Witwenzahlung ein (§ 102 Abs. 5 SGB VI).
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