Ein spiritueller Schulungsweg

Stefan Schmitz, Der Vierte Weg von Gurdjieff

Stefan Schmitz, Der Vierte Weg von Gurdjieff

Ein Bewusstsein, das sich nicht mehr verstrickt

Das Bewusstsein, unbegrenzt und klar? Häufig verstricken wir uns augenblicklich in die Gedanken oder Erlebnisse, die gerade in uns vorherrschen. Und wenn wir auf Distanz zur Verstrickung gehen möchten, lauert die Gefahr, sich in ebendieses Vorhaben erneut zu verstricken. Ein Kreislauf ohne Ausweg, der das Ich und den Willen immer weiter entzweit? “Dem Menschen ist auch ein umfassenderes und klareres Bewusstsein seiner selbst möglich, in dem er der Einheit von Allem, von Welt und Gott, unmittelbar inne wird”, sagt Stefan Schmitz in seinem Buch Der Vierte Weg von Gurdjieff. Ein praktischer Ratgeber, wie wir von einer durch den Verstand erzeugten Achtsamkeit fortschreiten können zu einer Achtsamkeit des reinen Bewusstseins.
Gurdjieff brachte das Enneagramm in den Westen, heutzutage für viele ein Schlüssel zur menschlichen Persönlichkeit. In seiner Lehre des Vierten Weges ist dieses Symbol weit mehr, nämlich ein universelles Schaubild für Wandlungen. In der Schulung auf jenem Weg geht es dabei vor allem um eine Transformation des Menschen hin zu einer Öffnung für die spirituelle Dimension. Charakteristisch für diese Schulung ist, dass sie am Verstand, am Gefühl und am Körper zugleich ansetzt, um ein Bewusstsein jenseits davon zu erreichen.
Auf dem Vierten Weg erhält der Suchende oder Schüler genaue Informationen, mit denen er selbst eruieren kann, wo er steht und welche Schritte oder Übungen für ihn aus welchem Grund von diesem Standpunkt aus hilfreich sind. Gurdjieff erkannte, dass das Ich aus einem Konglomerat unzähliger Mini-Ichs besteht, von denen immer wieder ein anderes für eine kurze Zeit das Kommando übernimmt. Die gleichen Erinnerungen, Leidenschaften und Ängste, welche nachts die Träume prägen, beeinflussen auch tagsüber im gewöhnlichen Wachbewusstsein des Menschen seine Wahrnehmungen und Interpretationen der Außenwelt sowie sein Verhalten – das übliche Alltagsbewusstsein des Menschen ist deshalb für Gurdjieff nur ein relatives Bewusstsein und eigentlich nicht mehr als ein wacher Schlaf.
Er entwickelte Experimente, mit denen jeder Mensch diese trügerische Ich-Illusion auf den Prüfstand stellen und durchschauen kann: die Ausgangsbasis für die Praxis des von ihm entwickelten Vierten Weges. “Nur derjenige Suchende oder Schüler, der das wahre Niveau seines Bewusstseins und die wahre Beschaffenheit seines Ichs erkennt, kann sich von dort aus darüber hinaus entwickeln, hin zu einem einheitlichen Ich mit einem wirklichen Willen und zu einem freien Bewusstsein sowie noch weiter, bis zu einem objektiven Bewusstsein”, schreibt Schmitz. Und führt mit seinem Buch kompakt und mit zahlreichen Übungen in ein methodisches Vorgehen ein, mit dem man das gewöhnliche Wachbewusstsein in ein Bewusstsein seiner selbst transzendieren kann, das durch eine völlige Klarheit gekennzeichnet ist.
Die wichtigste Quelle des Vierten Weges ist der Sufismus, die Mystik des Islam. Der Vierte Weg selbst ist ein moderner, integrativer Schulungsweg. Die klassischen spirituellen Schulungswege haben ihren Schwerpunkt fast alle nur auf einer der drei folgenden Domänen der menschlichen Existenz, entweder auf dem Körper oder auf dem Verstand oder auf dem Gefühlsleben. Der Vierte Weg hingegen setzt an allen drei genannten Domänen zugleich an. Er beinhaltet eine intensive Arbeit sowohl am Körper, etwa an den chronischen Muskelverspannungen, wie auch am Verstand, etwa an dessen ständigen Rechtfertigungen, und nicht zuletzt am Gefühlsleben, insbesondere an den negativen Emotionen. Hinzu kommen noch komplexe Bewegungsübungen, wie etwa die heiligen Tänze, und anspruchsvolle Meditationstechniken
Leser, die sich für das Thema der Achtsamkeit interessieren, erfahren durch dieses mit neueren Erkenntnissen aus der Tiefenpsychologie und aus der Transpersonalen Psychologie angereicherte Buch, wie sie von einer durch den Verstand erzeugten Achtsamkeit fortschreiten können zu dieser Achtsamkeit des reinen Bewusstseins. Leser, die das Enneagramm als Persönlichkeitsmodell kennen, entdecken weitere Anwendungsmöglichkeiten.

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