Ein Beitrag von Rechtsanwältin Anja Härtel und Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin:

Im Rahmen der Urteilsbesprechung des Fachanwalts Alexander Bredereck vom 15.07.2014 zum aktuellen BGH-Urteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13 steht nun höchstrichterlich fest, dass eine Kündigung des Mieters wegen Rauswurf des Vermieters unter Umständen unwirksam ist. Hier war ein Hausfriedensbruch der Vermieterin Entscheidungsgrundlage, die von ihrem Mieter gewaltsam vor die Tür gesetzt wurde. Aber wie sieht es für den Mieter aus, dem vom Vermieter gekündigt wurde und gegen den vielleicht sogar schon eine Räumungsklage anhängig ist. Begeht der Mieter Hausfriedensbruch, wenn er sich weiter in der Mietwohnung aufhält?

Ausgangslage:

Wird dem Mieter vom Vermieter wirksam gekündigt und der Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 545 BGB widersprochen, erlischt das Besitzrecht des Mieters an der Mietsache. Grundsätzlich ist der Mieter also verpflichtet, die Mietsache wieder an den Vermieter zurück zugeben. In der Praxis ist jedoch meistens zwischen den Beteiligten umstritten, ob die Kündigung und damit auch die Räumungsklage rechtmäßig ist und/oder die Marktlage so schlecht für die rechtzeitige Beschaffung einer Ersatzmietsache. Die Folge ist in allen Konstellationen dieselben, der Mieter bleibt erst einmal in der Mietsache und gibt sie nicht zurück.

Der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs ist gemäß § 123 StGB erfüllt, wenn der Mieter sich in der Wohnung, in den Geschäftsräumen oder im befriedeten Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räumen, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wenn der Mieter ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Vermieters sich nicht entfernt. Dieses rechtliche Fehlverhalten wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

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Nach dem Wortlaut des Strafgesetzbuchs müsste sich der Mieter sich nach Kündigung durch den Vermieter und Fortsetzung der Wohnungsnutzung wegen Hausfriedensbruchs strafbar machen. Das wurde aber auch bedeuten, dass in 2012 circa 70.000 Mieter, gegen die die Zwangsräumung durchgeführt wurden, zugleich Straftäter wegen Hausfriedensbruch waren. Dass dies nicht sein kann, sagt einem schon das Bauchgefühl.

Die Rechtslage:

Die Gerichte hatten sich im Rahmen der Hausbesetzer und Wagenburgen in den Großstädten mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat im Jahr 1990 entschieden, dass ein Mieter, der nach Ablauf des Mietvertrages in der Mietwohnung geblieben ist und der auf Grund eines neuen Entschlusses (hier in Form einer Hausbesetzung) seinen unmittelbaren Besitz nicht mehr aus dem früheren Vertragsverhältnis ableitet, sondern auf eine angemaßte und nicht schützenswerte, vermeintliche Rechtsposition stützt, erfüllt den Tatbestand des StGB § 123 Abs 1 Alt 2 (vergleiche RG, 1903-06-16, Reg 1361/03, RGSt 36, 322) (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. September 1990 – 2 Ss 208/90 – 41/90 III -, juris).

Das bedeutet, solange der Mieter nicht beschließt zum Hausbesetzer zu werden, macht er sich durch den weiteren Aufenthalt in der Mietsache nicht wegen Hausfriedensbruch strafbar.

Das Oberlandesgericht Hamburg hatte 2006 entschieden, dass das Hausrecht nicht automatisch mit dem Ablauf des Überlassungsvertrages an die Eigentümerin zurückgefallen ist. Es ist allgemein anerkannt, dass das Hausrecht einem Mieter gegenüber dem Vermieter auch noch nach Beendigung des Mietverhältnisses zusteht, solange er sich im unmittelbaren Besitz befindet; die schuldrechtliche Verpflichtung zur Rückgabe ändert daran nichts (Tröndle/Fischer, 53. Aufl. 2006, Rdz. 3 zu § 123 StGB; Schöncke/Schröder-Lenckner, 26. Aufl. 2001, Rdz. 17 zu § 123 StGB jeweils m.w.N.).

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Eine Strafbarkeit des Mieters wird deshalb abgelehnt, da der Vermieter die Verfügungsbefugnis über den Mietgegenstand auf den Mieter übertragen hat (vgl. Dölling, JR 1992, 167). Das Hausrecht des Mieters endet erst, wenn der Eigentümer aufgrund eines Räumungstitels, etwa im Wege der Zwangsräumung wieder den unmittelbaren Besitz am Mietgegenstand erlangt hat (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 02. März 2006 – III – 3/06 – 1 Ss 2/06, III – 3/06, 1 Ss 2/06 -, juris).

Anwaltstipps Vermieter:

Sollten Sie ganz sicher wissen, dass Ihr Mieter zur Hausbesetzer-Szene gehört oder er sich ganz bestimmt dem Gerichtsvollzieher widersetzen wird, dann können Sie gegen ihn Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten und Strafantrag stellen. Sollten Sie sich nicht ganz sicher sein, dann raten wir lieber Abstand davon zu nehmen, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Denn bei unberechtigten Strafanzeigen und Strafanträgen machen Sie sich nämlich schadenersatzpflichtig nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 164 Abs. 1 StGB. Haben Sie Fragen hierzu – wir beraten Sie gern.

Anwaltstipps Mieter:

Solange der Gerichtsvollzieher noch nicht die Räumung vollzogen hat oder Sie nach der Räumung/Schlüsselrückgabe an den Vermieter nicht wieder in Mietsache zurückkehren oder Sie die Mietsache nicht besetzen wollen, machen Sie sich auch nicht wegen Hausfriedensbruch strafbar. Sie können also die gerichtliche Klärung der Kündigung durch den Vermieter strafrechtlich unbeschadet durchführen lassen. Gern stehen wir für die Beurteilung der Erfolgsaussichten zur Verfügung.

Quellen:

http://www.swr.de/report/presse/mietrecht/-/id=1197424/did=11359752/nid=1197424/1crnbbj/index.html
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. September 1990 – 2 Ss 208/90 – 41/90 III
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 02. März 2006 – III – 3/06 – 1 Ss 2/06, III – 3/06, 1 Ss 2/06

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01.09.2014

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