Jonas Diebold

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Die grundlegenden Änderungen des EU-weit harmonisierten Umsatzsteuerrechts beschäftigen auch Kommunen und Gemeinden, Landkreise, öffentliche Einrichtungen, Schulen und Universitäten sowie Kirchengemeinden. Kurz: alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR). Waren diese bisher in den meisten Fällen von der Umsatzsteuerpflicht befreit, so sollte sich dies spätestens mit dem Ablauf des Jahres 2020 ändern: Ab dem 1. Januar 2021 sollten jPöR ihre Leistungen nach den gleichen Grundsätzen erbringen wie andere Marktteilnehmer und damit einer Besteuerung unterliegen. Kurz: Die Unternehmereigenschaft laut Umsatzsteuergesetz (UStG) gilt spätestens dann auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, wonach Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt, die nachhaltig der Erzielung von Einnahmen dient.

Das Corona-Steuerhilfegesetz kommt nun vor allem denjenigen kommunalen Einrichtungen zu Hilfe, die es bisher versäumt hatten, betroffene Sachverhalte entsprechend aufzuarbeiten. „Eine „Gnadenfrist“ bis zum 31. Dezember 2022 ist beschlossen – ein Aufschub, den viele jPöR gut brauchen können und vor allem zielgerichtet nutzen sollten“, rät Steuerberater Guido Karmann von der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Husemann und Partner aus Dortmund.

Federführend hatten sich im vergangenen Jahr die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen für diese Verlängerung der Übergangsfrist eingesetzt. Doch: „Die Zeit ist schneller um, als man denkt. Kommunen, Kirchen, Landkreise und andere Betroffene sollten also – sofern noch nicht geschehen – die zusätzliche Zeit nutzen und alle Sachverhalte eingehend beurteilen, aufbereiten und damit zusammenhängende rechtliche und organisatorische Maßnahmen umsetzen“, so Karmann. Denn obwohl sich die meisten jPöR bereits in der Schlussphase dieser Aufgabe befänden, gäbe es in der Praxis doch viele Anwendungsprobleme, konstatiert er.

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Probleme: Wettbewerbsverzerrung und richtige Einschätzung

Wettbewerbsverzerrungen liegen nicht vor, wenn gleichartige Umsätze auf öffentlich-rechtlicher Grundlage voraussichtlich 17.500 Euro pro Jahr nicht übersteigen. Viele sind nun zum Einen unsicher bei der Frage nach der Gleichartigkeit, zum Anderen führt die häufig dezentrale Organisation von jPöR dazu, dass kaum die Möglichkeit zur Feststellung besteht, welche verschiedenen Stellen/Behörden/etc. gleichartige Tätigkeiten erbringen. So können die 17.500 Euro ohne Kenntnis der Verantwortlichen schnell überstiegen werden.

„Da bisher die meisten jPöR, außer gegebenenfalls im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art, noch keine umsatzsteuerlichen Berührungspunkte hatten, gibt es für viele sehr spezielle Sachverhalte – vor allem für Leistungen, die bisher hoheitlich und somit automatisch nicht umsatzsteuerbar waren – keine gefestigte Meinung zur umsatzsteuerlich korrekten Behandlung“, so Karmann. Es lägen keine Kommentarmeinungen und kaum Aussagen der Verwaltung vor, die den Betroffenen eine Richtlinie bieten könnten. So sind beispielsweise Kirchen nun darin gefordert, diverse Leistungen ihrerseits umsatzsteuerlich einzuschätzen, die bisher keine umsatzsteuerliche Relevanz hatten und für die es noch keine abschließende umsatzsteuerliche Einschätzung gibt. Dies kann bspw. das Betreiben eines Friedhofes sein oder die „Mitgliedsbeiträge“ von Kirchenchormitgliedern.

Den derzeit vorherrschenden Unsicherheiten versuchen das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wie auch die Landesfinanzverwaltungen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten entgegenzuwirken. Erst kürzlich wurde der Anwendungserlass zur Umsatzsteuer seitens der Obersten Finanzbehörde der Länder in Bezug auf Einzelfragen geändert. Beispiele hierfür sind:

• Die Kreishandwerkerschaften gelten mit der Ausübung der Geschäftsführung der Innungen nicht als Unternehmer oder
• Parkgebühren für das Parken auf öffentlich-rechtlichen Straßen gegen Entgelt (Parkscheinautomat) sind nicht umsatzsteuerbar – es handelt sich um eine hoheitliche Aufgabe.

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Vorsicht sei, so Karmann, auch bei Kooperationen geboten: „Auch wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, muss zusätzlich geprüft werden, ob ein schädlicher Wettbewerb zu Privatunternehmern gegeben sein kann.“ Allerdings ist es genau der Wettbewerbsbegriff, der weiterhin einige Fragen aufwirft. In Zweifelsfällen sollten verbindliche Auskünfte bei der Finanzverwaltung eingeholt werden.
Grundsätzlich zählt nach Inkrafttreten der Neuregelung nun bei der Erbringung von Leistungen nicht mehr, wer diese erbringt, sondern um welche Art der Leistung es sich handelt. Das heißt, es gelten die allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuerrechts: Handelt es sich um steuerbare und nicht nach § 4 UStG von der Umsatzsteuer befreite Leistungen, unterliegt die Leistungserbringung der jPöR der Umsatzsteuer.
Die Liste der betroffenen Sachverhalte ist lang. Karmann rät daher sämtlichen jPöR, zielgerichtet jede „Einnahmequelle“ von Entgelten zu prüfen. Zwar bliebe durch den Aufschub noch ein wenig mehr Zeit, der Umfang der notwendigen Maßnahmen sei jedoch nicht zu unterschätzen.

Husemann, Eickhoff, Salmen & Partner GbR
Die Sozietät Husemann & Partner GbR mit Hauptsitz in Dortmund berät schwerpunktmäßig mittelständische und Familienunternehmen in allen Fragen der Wirtschaftsprüfung sowie der Steuer- und Rechtsberatung. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Restrukturierung und Insolvenzverwaltung. Insgesamt sind derzeit 170 Mitarbeiter am Hauptstandort in Dortmund tätig. Die Gesellschaft ist Mitglied bei HLB Deutschland und HLB International. Weitere Informationen unter www.husemannpartner.de.

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