Viet Tu Nguyen

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Expansion ist eine der Methoden, um sommerlichen Umsatzflauten zu begegnen. Die Märkte in Osteuropa werden dabei oft vernachlässigt. Ein Fehler, weiß Sara Piacquadio von Packeta.

Der E-Commerce muss sich dem Problem regelmäßig stellen. Jahr für Jahr verreisen Kunden in den Sommermonaten, treffen Freunde zum Grillen, legen sich an den Baggersee – und haben weniger Zeit und Lust im Internet nach Waren und Dienstleistungen zu stöbern. Obendrein ist ihr Budget dann für Saisonales reserviert: Urlaube, Badeanzüge, Sonnenbrillen und ähnliche Dinge haben Vorrang. Online-Händler, die das nicht anbieten, bekommen in dieser Zeit Probleme, ihr Umsatzvolumen zu halten.

Die Strategien dagegen sind bekannt. Sie reichen von der Erweiterung der Kanäle im Sinne eines Omnichannel-Konzepts über den Ausbau der Produktpalette und die Organisation von Sales-Aktionen bis zur Veranstaltung von Wettbewerben und Challenges. Besonders lohnend ist jedoch die Expansion in Länder, die man bislang nicht auf dem Schirm hatte. Welche das sein können, zeigt sich beispielsweise bei einem Blick auf eine aktuelle Studie der Marktforscher von Forrester. (https://www.forrester.com/blogs/global-retail-e-commerce-sales-will-reach-6-8-trillion-by-2028/)

Überdurchschnittliche Dynamik

Die Erhebung demonstriert, dass die aufstrebenden Länder Osteuropas zwar wirtschaftlich stärker wachsen als jene im Westen, jedoch in puncto Online-Einzelhandel weit weniger gesättigt sind. Demnach existiert dort ein beträchtliches Steigerungspotenzial. Während der E-Commerce vergangenes Jahr in Westeuropa rund 508 Milliarden Dollar umsetzte und laut Prognose im Jahr 2028 bei 773 Milliarden Dollar angelangt sein wird, sollen die Umsätze der führenden osteuropäischen Länder – Russland, Polen, Tschechien, Rumänien und Ungarn – im gleichen Zeitraum von 72 Milliarden Dollar auf satte 126 Milliarden anwachsen. In Osteuropa sind das also 75 Prozent im Gegensatz zu 52 Prozent in Westeuropa.

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Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes unterstreichen diese Erwartung. (https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Basistabelle/Allgemeines-Regionales.html) Kommen Länder wie Deutschland und die Niederlande auf eine Onlineshopperquote von 77 und sogar 92 Prozent, kaufen in Polen derzeit lediglich 64 Prozent und in Rumänien nur jeder Zweite im Internet ein. Bedenkt man den prognostizierten Anstieg des polnischen BIP bis 2029 um 25,92 Prozent auf 1,1 Billionen US-Dollar, liegen die Wachstumschancen auf der Hand. Entsprechend soll der Online-Handel im größten Logistikmarkt Osteuropas laut PwC bis 2026 um 60 Prozent nach oben klettern. Zum Vergleich: Weltweit erwartet das Marktforschungsunternehmen e-marketer eine Zunahme des E-Commerce um 42 Prozent. Doch auch anderen Märkten Mittel- und Osteuropas wird eine Dynamik deutlich über dem Schnitt vorhergesagt.

Vorliebe für Out-of-Home-Delivery

Kluge Online-Shops nehmen diesen Wirtschaftsraum zunehmend in den Blick, um ihre bislang westorientierten Umsätze nicht nur in Zeiten des Sommerlochs zu stabilisieren und sich mit mehr unternehmerischem Spielraum auszustatten. Kaufland expandierte zum Beispiel innerhalb der vergangenen zwei Jahre nach Tschechien und die Slowakei und ist gerade dabei, das auch nach Polen zu tun. Schließlich handelt es sich um eine Region mit großen Chancen und vielen Besonderheiten, die sich zuweilen gegenseitig bedingen.

So kommt etwa die Pick-up-Point beziehungsweise Locker-Zustellung in den Märkten Osteuropas signifikant besser an als in Deutschland und seinen westlichen Nachbarstaaten. Ihre beiden wichtigen Vertreter Polen und Tschechien haben beispielsweise innerhalb der Europäischen Union inklusive Großbritannien die mit Abstand meisten Zustellmöglichkeiten im Sinne einer Out-of-Home-Delivery pro 10.000 Einwohner zu bieten. https://lastmileexperts.com/wp-content/uploads/2023/06/Out-of-home-delivery-in-Europe-2023_PUDOs-and-automated-parcel-machines-report_v1_1.pdf

Gute Argumente für mehr Chancen

Der Vorteil ist bestechend: Die Versandkosten sind vor allem durch die beliebte Out of Home Zustellung im osteuropäischen Raum deutlich niedriger. Das führt dazu, dass Waren etwa nach Tschechien zu ungefähr den gleichen Kosten geliefert werden können wie an deutsche Kunden. Mittlerweile zieht auch der damit in Zusammenhang stehende Faktor Nachhaltigkeit immer besser. Beides zusammen ergibt ein klares Argument für die Expansion nach Osten.

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Ein weiteres besteht in der wesentlich niedrigeren Retourenquote. Neben einem anderen Mindset, das Rücksendungen als klare Ausnahmefälle definiert, ist der Grund dafür, dass Amazon diese Märkte noch nicht so durchdrungen hat wie den Westen. Anders als in Deutschland, wo im Fashionsektor bis zu 30 Prozent der Produkte zurückgehen, liegt die Retourenquote auf dem Feld der Modeartikel in Polen und Tschechien bei überschaubaren 15 Prozent. Das schwächere Rückgaberecht in diesen Ländern tut sein Übriges.

CEE-Staaten als Challenge

Die Eigenarten bei der Bezahlung hingegen gehören eindeutig zu den Herausforderungen des E-Commerce östlich der Oder. Vor allem die Vorliebe für die Nachnahme ist dort notorisch – diverse Länder begleichen ihre Rechnungen zur Hälfte auf diese Weise. Deutsche Online-Händler müssen also beim Cross-Border-Selling in diese Richtung oftmals ihre Check-outs ändern. Und nicht nur das. Sie müssen sich auch auf relativ viele, auf engem Raum variierende Sprachen einstellen, was auch bedeutet, dass die Bevölkerungszahlen nicht sonderlich hoch sind: Statt um knapp 70 Millionen potenzielle Kunden wie in Frankreich geht es bei den CEE-Ländern oft nur um jeweils fünf oder zehn Millionen Einwohner, die für Web-Shops ähnlich viel Arbeit bedeuten wie die Großen.

Sind die Expansionsaussichten in den Osten für deutsche Unternehmen angesichts solcher Kleinteiligkeit also übertrieben? Nein. Denn es gibt die Möglichkeit der Kooperation mit Spezialisten, die in der Lage sind, alle diese Anstrengungen zu bündeln und auf sich zu vereinen. Statt für jedes einzelne Land eigene Verträge aufzusetzen, Labels zu drucken und entsprechenden IT-Aufwand zu betreiben, ist dann die Integration nur ein einziges Mal nötig. Deutsche Online-Händler verfügen auf diese Weise über lediglich einen Ansprechpartner, der seinerseits Zugriff auf viele verschiedene Carrier mit fein geknüpften Netzwerken und maximalem Know-how vor Ort besitzt. Das nützt allerdings nichts, wenn die Produkte auf wenig Interesse stoßen. Um das herauszufinden, empfiehlt es sich, die Nachfrage erst über lokale Marktplätze zu testen. Wer so verfährt und dann den Schritt nach Osten wagt, braucht das nächste Sommerloch nicht zu fürchten.

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Über den Autor: Sara Piacquadio

Sara Piacquadio ist Marketing- und Projekt-Managerin beim Leipziger Logistikdienstleister Packeta, der als Teil der Packeta Group Lösungen für den weltweiten Transport von Sendungen anbietet und speziell die Märkte Osteuropas im Blick hat. Zuvor war Piacquadio in verschiedenen Positionen beim Telekommunikationsunternehmen Vodafone beschäftigt.